Die genannten Bezugnahmen, mancher Vergleich mit zeitgenössischen Künstlern und die Abgrenzung gegen bestimmte kunsthistorische Begriffe öffnen den Blick für der Gemälde Bezugssystem. Schon in den Titeln „Beuys beim Wort genommen“, Julia (Hommage an Balthus)“ und „Frühstück im Grauen“, was auf Edouard Manet anspielt, stellt der Maler sein Wissen der Kunstgeschichte heraus. Er greift mit dem Genre Stillleben auf eine klassische Kunstgattung zurück, die er etwa bei Chardin schätzen gelernt hat. Wie dieser malt er wiederholt dieselben alltäglichen und nicht der Repräsentation dienenden Geschirrteile. Bei Morandi fand er Gegenstände in frontaler Augenhöhe, farbliche Gleichwertigkeit sowie gestreifte oder „wolkige“ Hintergründe, was er in „Linda „ und dem „Mao-Stillleben“ verarbeitet. Dessen Satz „Es gibt nichts Abstrakteres als die sichtbare Welt.“ 1 wird auch in seinem Werk „sehbar“ gemacht. In seinen Interieurs tauchen wiederholt Bezüge zu den mit weit geöffnetem Schritt posierenden Mädchen eines Balthus auf. Dessen Licht und Atmosphäre, die ungenaue Anatomie, die Puppenhaftigkeit und Gesichtslosigkeit der Mädchen begegnet uns wieder in den Julia-Bildern, aber auch in „Linda“. Schließlich spürt man in „Simone und NN und „Stillleben in Budapest“, dass der Künstler auch die Kunst der Nabis studiert hat. Diese brachten alle Bildmotive wie Möbel und Frauengestalten auf die Bildfläche, indem sie deren Texturen zu ornamenthaften Geflechten von stark abstraktem Charakter auflösten. Das Abstrakte nimmt also nicht zufällig Stellung in Huszanks Werk. Vielmehr spricht er in „Linda auf Teppich“ offen von seiner Kenntnis der Relevanz des Gegensatzpaares von Figuration und Abstraktion für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Da blättert das Modell doch in einem Buch, das auf einer Seite einen Matisse und gegenüber ein Bild von Josef Albers zeigt. Als „Spuren des künstlerischen Ideologiekampfes des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete solches erst kürzlich Hanno Rautenberger in einem Artikel über den jungen Maler-Kollegen Daniel Richter. 2 Bezeichnend für Huszank sind dabei die verschiedenen Strategien des „Bildes im Bild“. Einerseits zitiert er in kleinen Rahmen Bilder u. a. von Balthus. Andererseits hinterlegt er seine Stillleben und Frauengestalten mit kunstgeschichtlichen Motiven. So auch in der 10-teiligen Ulrike-Serie, wo Ingres „große Badende“ von 18083 schließlich in „Ulrike, dunkelgrün“ zu einem Manet-Zitat, nämlich der Victorine Meurent aus dem „Frühstück im Freien“ (1863)4, wird. Während Manet seinerzeit einen Skandal auslöste, weil er eine stadtbekannte Kurtisane den „Weihen der hohen Kunst“ zuführte, bzw. seine Vorbilder Tizian und Raffael profanisierte, dominiert bei Huszank über den kunsthistorischen Bezug die Unmittelbarkeit der Schilderung. Lediglich in einer gewissen Blicklosigkeit, in der „emotionslosen, unkoketten, ausdrucksfernen Selbstbezogenheit“5 schließt er sich bei Ulrike an manche Gestalt Edouard Manets an. Aber er löst sich von seinem Vorbild Manet, da des Modells Persönlichkeit, Psyche und soziale Rolle6 nicht thematisiert, so nur als Leerstellen vorhanden sind. Stattdessen malt er Ulrike aus immer neuen Perspektiven, in einer experimentellen Reihe kreist er sie ein, bis sich das Modell aus seiner Pose befreit, Gesicht und Blick dem Maler und so dem Betrachter zudreht und ihn anvisiert, so dass er - wie ertappt - den Blick von ihr wegschwenkt hinein in einen möblierten Raum. Gerade im Seriellen der Ulrike-Bilder wird das Malen als tätige Aneignung von Wirklichkeit selbst thematisiert. Befasst man sich mit der zeitgenössischen Malerei, fällt auf, dass alt gediente Begrifflichkeiten, wie Realismus und Romantik, momentan wieder als Ordnungssystem verfügbar gemacht werden. Ob sie allerdings der Überlagerung der Bildkenntnisse und -gewohnheiten sowie der so entstandenen Vielschichtigkeit der zeitgenössischen Bildsetzungen gerecht werden, sei hier kritisch reflektiert. Einen „radikalen Realismus“ konstatierte schon die in der Wiener Kunsthalle 2002 gesehene Schau „Lieber Maler, male mir …“ unter anderen mit Malern wie Alex Katz, John Currin, Glenn Brown, Luc Tuymans und Elisabeth Peyton.7 Realistisch ist Huszank wohl im Sinne der schöpferischen Aneignung von Realität, aber da er diesen Realismus in einem Akt der Bildschichtung über einen kunsthistorischen Bezug legt, ist die Frage, ob sich dahinter eine rückwärtsgewandte, gar romantische Haltung verbirgt. Max Hollein begründete die romantische Haltung in der zeitgenössischen Kunst jüngst im Vorwort des Kataloges zu den in der Frankfurter Schirn gezeigten „Wunschwelten“8 mit dem gesellschaftlichen Wandel in Zeiten von Terror und Kapitalismus. Doch mag seine Beschreibung des Phänomens nicht auf Huszank passen: „Eine Reihe junger Künstler knüpft entschlossen an diesen romantischen Geist an, will das Alltägliche hinter sich lassen, entwickelt provokante poetische Gegenwelten, entwirft einen neuen Bezug des Individuums zur Natur und knüpft an die Sehnsucht nach Paradiesischem, Schönen und Märchenhaften an, ohne dabei das Abgründige und das Unheimliche zu vergessen, das stets hinter solchen Idyllen lauert.“9 Dagegen stellt die jüngst in der Münchner Hypo-Kulturstiftung gezeigte Ausstellung „Zurück zur Figur“10 die Vielfalt der Bezugnahmen auf historische Kunstformen des 19. und 20. Jahrhunderts - vom Impressionismus bis zum Hyperrealismus - bei zeitgenössischen Künstlern heraus.11 Angesichts dieser vielfältigen Formen des „Coverns“, vergleichbar mit Phänomenen der zeitgenössischen Musik, fällt bei den Gemälden von Huszank besonders auf, wie stark die verschiedenen verarbeiteten Bildbezüge zurücktreten hinter die unbestimmt unmittelbare Schilderung, dem rein Malerischen. Zum malerischen Gestalten stellt Robert Fleck eine interessante These in seinem Beitrag „Porträts“ im Katalog „Zurück zur Figur“ vor, die auch Huszank trifft, dass nämlich Maler wie Ulysses Betz12, Glenn Brown13, John Currin14 und Mara Mattuschka15 den Stil stärker in den Mittelpunkt ihres Tuns stellen, als die abgebildete Person: „Innerhalb der zeitgenössischen Porträtkunst ist aber besonders auffällig, dass …(AW: das Porträt) zu einem privilegierten Transportmittel der subjektiven Stilsetzung des jeweiligen Autors geworden ist. Die Porträtserien aller hier vertretenen Künstler identifizieren sich geradezu mit der stilistischen Signatur.“16 Huszank porträtiert seine Figuren und Dingwelten gleichermaßen, indem er ihnen mit verschiedenen Malstilen ihr eigenes Gesicht gibt. Dabei nimmt man eine leise emotionale Ladung von Traurigkeit oder zumindest Nachdenklichkeit wahr, wie man sie auch in Porträts von Florian Süssmayr17 und Ena Swansea18 kennt. Obwohl heutzutage jedes Bild-Erleben von medialen oder modischen Konstrukten überlagert und verseucht ist, gelingt es Huszank seine Bildlichkeit gerade durch den sichtbaren Akt der Verdrängung der vielfältigen Bezüge von diesen bereinigt, verbindlich und scharf darzustellen. Das verschwindende kunsthistorische Zitat erzeugt eine Ort- und Zeitlosigkeit, die dem Geschilderten Emotion und Poesie verleihen. Des Malers Attitüde Selbstverständlich steht Szilard Huszank der AppropriationArt nahe, arbeitet er doch mit Aneignung durch inszenierte Aktualisierung des längst Musealen, des Kanonischen. Wie wir erfahren haben, ist dieses Vorgehen schon bei Manet konzeptuell genutzt worden. Es entspricht der Setzung von Modernität, wie sie Charles Baudelaire 1861 sinngemäß definierte: Modern ist jenes bleibend Poetische, wenn man vom Aktuellen das Modische abgezogen hat. Diesem Poetischen liegt folglich ein Gehalt zugrunde, der Kontinuität hat, also durchaus traditionell angebunden sein kann, und der auf der Erkennbarkeit des Gesehenen beruht. Auch Huszank bedient sich dieses Vorgehens, aber da er den Kanon für sich in offensichtlich vielfältigen Bekenntnissen, gelegentlich direkt als Hommage in Anspruch nimmt, „performt“ er dieses Vorgehen regelrecht. Mit diesem „Performen“ modernisiert er eine andere künstlerische Strategie, die der Attitüde. Seit den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts führte Lady Hamilton in Neapel Attitüden auf, in denen sie Kanonisiertes, bekannte Kunstwerke und antike Plastiken, nachstellte. In zahlreichen Gemälden u.a. von Angelika Kauffmann und Johann Heinrich Wilhelm Tischbein wurde Lady Hamilton so festgehalten. Damit überführte sie das Modellstehen in einen kreativen Akt, der die Bilder mit einer spürbaren Bühnenhaftigkeit auflud. Darin ist laut Rainer Metzger ein frühes „Performen“ zu sehen: „Vielleicht ist er (AW: der Kanon) überhaupt erst dann Kanon, … wenn er einen Auftritt sucht, sich eben --- mit Theatralik verbündet. Lady Hamilton jedenfalls stellte das Kanonische buchstäblich auf die Bühne.“ 19 Dieses Performen als Kunstform wird nun von Huszank in die Sphäre der Malerei zurückgeholt, indem er Klassiker der Moderne als Kanon seinem Schaffen unterlegt. Seine Motive, so beliebig austauschbar und banal sie sind, sind aber doch so unmittelbar geschildert, dass man vordergründig meint, seine Stilsetzungen, seine Peinture und ihr virtuoser Vortrag stünden im Dienst dieser Darstellung. Tatsächlich aber stehen sie im Dienst seiner Rolle als Maler, des Malers Attitüde, der sich und sein Werk im verwendeten Zitat historisch verankert. „Was hier angeeignet, appropriiert wird, sind weniger die Werke als die Rolle dessen, der sie produziert, reproduziert und historisiert. Kanonisch sind weniger die Bilder als die Instanzen, die sie verwalten. Einmal mehr gilt, was als Signum der Moderne generell verstanden werden darf: Es geht eher um einen Methoden- als einen Werkkanon.“20
1 Kat. Giorgio Morandi 1890-1964. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen.
Das druckgraphische Werk. Schloss Gottorf Schleswig 1998. S. 9.
Literatur: Catalog raissonné. Das Gesamtwerk Balthus. München 1999. - Bischoff, Ulrich: Romantik und Gegenwart. Festschrift für Jans Christian Jensen zum 60. Geburtstag. Köln 1988. - Cachin, Georges: Manet. Genf 1988. - Katalog Chardin. Hrsg. v. Kunsthalle Düsseldorf 1999. - Frèches-Thory, Claire; Perucchi-Petri, Ursula (Hrg.): Die Nabis. Propheten der Moderne. München 1993. - Hollein, Max; Pfeiffer, Ingrid (Hrg.): James Ensor. Schirn Kunsthalle Frankfurt. Ostfildern 2005. ( Hollein, Max; Weinhart, Martina (Hrg.): Wunschwelten, Neue Romantik in der Kunst der Gegenwart. Schirn Kunsthalle Frankfurt. Ostfildern 2005. - Lange, Christiane; Matzner, Florian: Zurück zur Figur. Malerei der Gegenwart. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München 2006. - Metzger, Rainer: Attitüde und Modernität. Aspekte des Kanonischen in der Kunst der letzten Jahrzehnte. In: Kunstforum International. Bd. 162. Ruppichteroth 2002. - Kat. Giorgio Morandi 1890-1964. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen. Das druckgraphische Werk. Schloss Gottorf Schleswig 1998. - Katalog Neo Rauch. Neue Rollen. Bilder 1993-2006. Kunstmuseum Wolfsburg 2006. - Katalog „Lieber Maler, male mir …“ Radikaler Realismus nach Picabia. Ausstellungsbesprechung. Kunsthalle Wien 2002, 2003. - Winter, Annegret: Die fragmentierte Frau. Studie zum Bild der Frau in der Kunst nach 1945, insbesondere ab den 80er Jahren. Vortrag Kunstverein Graz, Regensburg 2007. Dr. Annegret Winter |
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